Im April 2014 hatten einige Bürger Pro-Köln-Plakate vorsichtig entfernt und wegen ihres hetzerischen Inhaltes („Angsträume Stadt – Wir haben’s satt“ „Asylbetrüger Raus“, „Bürgermut stoppt Asylantenflut“ „Wut im Bauch – Lass es raus“) der Polizei zwecks Prüfung im Hinblick auf eine mögliche Strafanzeige übergeben. Die Plakate gelangten von der Polizei an Pro Köln zurück. Obwohl Pro Köln keinen wirksamen Strafantrag gestellt hat, bejahte die Staatsanwaltschaft Köln das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung und bot gleichzeitig allen Personen, deren Personalien festgestellt worden waren, an, das Verfahren gegen Zahlung einer Buße von 50,00 € einzustellen . Die Mehrheit der Betroffenen nahm dieses Angebot an, Frau Elke Schön ebenso wenig wie Herr Kurt Holl, gegen den bereits im letzten Jahr verhandelt worden war, ohne dass es allerdings zu einem Urteil gekommen war.
Herr Holl war im Dezember 2015 verstorben. Die Staatsanwaltschaft beharrte darauf, dass Herr Holl verurteilt worden wäre, obwohl vor der Anklage kein Zeuge richtig vernommen wurde, scheiterte damit aber beim Landgericht. In der heutigen Verhandlung stellte sich dann heraus, dass Herr Holl erst am Ort des Geschehens erschienen war, als die Aktion praktisch abgeschlossen war. Er hatte sich mit der Strafanzeige solidarisiert und nicht etwa eine „Selbstbezichtigung“ für das Durchschneiden der Kabelbinder abgegeben. Dass die Anklage nicht nur politisch verheerend, sondern auch juristisch äußerst schlampig gefertigt war, hatten wir bereits im Verfahren gegen Kurt Holl in einem Antrag auf Einstellung des Verfahrens ausgeführt.
Frau Schön gab zu Beginn der Verhandlung eine Erklärung ab. Im weiteren Verlauf der Verhandlung ließ sich lediglich aufklären, dass Frau Schön seinerzeit vor Ort gewesen sei, wann sie dort erschienen war und was sie dort konkret gemacht habe, wurde nicht festgestellt. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft verwandte zwar den größten Teil seines Plädoyers darauf, zu betonen, wie schlimm auch er die Wahlsprüche von Pro Köln fand, meinte dann aber, die Staatsanwaltschaft wäre – weil es Wahlkampf sei – verpflichtet, solche Taten zu verfolgen. Trotz der kaum vorhandenen Feststellungen beantragte der Vertreter der Staatsanwaltschaft eine Verurteilung, da nach seiner Auffassung auf Grund der Anwesenheit schon feststehe, dass sie Mittäterin sei.
Demgegenüber schloss sich das Gericht – nicht hinsichtlich der politischen, wohl aber hinsichtlich der juristischen Bewertung – unserer Auffassung an, dass eine Mittäterschaft ohne nachweisbare konkrete Tatbeiträge nicht festgestellt werden konnte. Frau Schön wurde deswegen freigesprochen, auch weil es nach der Anklage um 20 selbständige Taten ging und nicht konkret feststellbar war, wann Frau Schön überhaupt vor Ort erschienen war.
Rechtszeitig zum Bundestagswahlkampf 2017 hat der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma eine Broschüre unter dem Titel „Grenzen im politischen Meinungskampf – Zum Verbot rassistisch diskriminierender Wahlkampagnen“ veröffenticht. Für diese Broschüre hat Rechtsanwalt Reinecke einen Beitrag zu diesem Prozess geschrieben. Der Beitrag ist hier dokumentiert
Eberhard Reinecke