Eines der vier nahezu identischen Urteile des VG Köln vom 12. April 2019 (20 K 8232/17; 20 K 8848/17; 20 K 8849/17 und 20 K 8850/17) ist hier abrufbar.
Sachverhalt
Die von uns vertretenen Klägerinnen befanden sich wie ca. 300 weitere Personen mit der S-Bahn auf dem Weg nach Dortmund, um dort gegen einen Aufmarsch der rechtsradikalen Partei „Die Rechte“ zu protestieren. Nach dem Ausstieg am U-/S-Bahnhof Dortmund-Dorstfeld wurde es sämtlichen ankommenden Demonstranten durch Einsatzkräfte der Bundespolizei verwehrt, den U-Bahnsteig zu verlassen. An beiden Enden des Bahnsteigs wurden Polizeibeamte postiert.
Ein Großteil der auf diese Weise festgehaltenen Personen, darunter die von uns vertretenen Betroffenen, musste bis zu 6 Stunden auf dem Bahnsteig verbleiben. Während dieser Zeit wurden Toilettengänge durch die Polizei zunächst verweigert. Erst nach stundenlanger Wartezeit wurden einzelne Personen im Beisein von Polizeibeamten nach oben geführt und mussten ihre Notdurft im öffentlich einsehbaren Bereich zwischen zwei Bahngleisen verrichten. Zuletzt wurde die Identität aller eingeschlossenen Personen festgestellt.
Verfahren und Entscheidung
Die Bundespolizei hatte bis zur mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, ihre Maßnahmen seien rechtmäßig, weil die auf dem Bahnsteig befindlichen Personen diesen hätten blockieren wollen. Dies konnte anhand von Videomaterial der Deutschen Bahn und der Bundespolizei selbst jedoch eindeutig widerlegt werden. Insbesondere konnte die Bundespolizei nicht erklären, warum sie an zwei Ausgängen von vornherein Ketten von Polizeibeamten postiert hatte, so dass von vornherein keine Möglichkeit des Verlassens des Bahnsteigs bestand.
Noch weniger konnte die Polizei im Verfahren ihre Motivation erläutern, Toilettengänge zu verwehren bzw. diese nur nach stundenlangem Warten in der Form zu ermöglichen, dass die Betroffenen sich gleichsam öffentlich zur Schau stellen mussten. Nach den klaren Hinweisen der Richter in der mündlichen Verhandlung, wurde ein Großteil der von uns angegriffenen polizeilichen Maßnahmen durch die Bundespolizei als rechtswidrig anerkannt und die Klage insoweit erledigt. Die eigentliche Einschließungsmaßnahme wurde allerdings weiterhin als rechtmäßig verteidigt. Das Verwaltungsgericht hat in seinem sorgsam begründeten Urteil eine klare Entscheidung getroffen und die Einkesselung als rechtswidrig qualifiziert. Eingesetzt durch die Bundespolizei war die Einheit Blumberg, die für ihr rechtswidriges Vorgehen bekannt ist.
Bewertung
Die Polizei hat im vorliegenden Fall ca. 300 Personen davon abgehalten, sich einem Protest gegen Rechtsradikale anzuschließen. Dies erfolgte, wie sich im Gerichtsverfahren erwiesen hat, grundlos. Die Sachlage vor Ort war friedlich und auch für die Polizei übersichtlich. Sie hätte den Versammlungsteilnehmern ohne Probleme ermöglichen können, den U-Bahnhof zu verlassen und an den Gegendemonstrationen teilzunehmen. Juristisch bedeutet dieses einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht der Versammlungs-freiheit aus Art. 8 GG.
Die Polizei hat es vorliegend nicht nur bei diesem Eingriff belassen, sondern auch noch das Grundrecht des Art. 1 GG verletzt, indem es den Betroffenen über Stunden hinweg zunächst den Toilettengang verweigerte, um dann später alle Öffentlichkeit an den Toilettengängen teilnehmen zu lassen.
Die Polizei hat im Nachgang weder um Entschuldigung gebeten, noch öffentlich kundgetan, dass der Einsatz so nicht hätte verlaufen dürfen. Vielmehr hat sie bis in die mündliche Verhandlung ihr Vorgehen umfänglich verteidigt. Damit aus den mittlerweile vielen Einzelfällen keine Regel wird, ist es wichtig, sich gegen rechtswidrige polizeiliche Maßnahmen gerichtlich zur Wehr zu setzen. Nur so bleibt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ein starkes Grundrecht.
Rechtsanwalt Forst
Das Urteil ist mitlerweile rechtskräftig.