Mit Urteil vom 27.03.2024 hat das Bundesverwaltungsgericht in einem von uns vertretenen Verfahren entschieden, dass es für die Polizei in bestimmten Fällen möglich ist, gegen die Teilnehmer*innen einer Versammlung polizeirechtlich vorzugehen, bevor diese aufgelöst wurde. Damit wird der bislang allgemein anerkannte „Grundsatz der Polizeifestigkeit“ einer Versammlung beschränkt.
Über die erste Instanz beim VG Sigmaringen, die in vollem Umfang unseren gegenteiligen Standpunkt geteilt hatte, hatten wir hier bereits berichtet. Im Urteil ist auch der Sachverhalt im einzelnen aufgeführt. Auf die Berufung des Landes BW hin hat der VGH Mannheim die Klage größtenteils abgewiesen und der Polizei recht gegeben. Die von uns eingelegte und vor dem Bundesverwaltungsgericht vertretene Revision hat nur insoweit Erfolg gehabt, als eine Reihe konkreter Maßnahmen gegen unseren Mandanten erneut auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden müssen. Hinsichtlich der entscheidenden generellen Frage, ob die Polizei auf erst nach einer Auflösung der Versammlung tätig werden kann (sog. „Sperrwirkung des Versammlungsrechts“), hat das Bundesverwaltungsgericht einen anderen – neuen – Standpunkt vertreten:
Jedenfalls solche unfriedlichen Versammlungen, die von Beginn an und dann durchgehend einen unfriedlichen Charakter haben, bedürfen vor einer Anwendung des Landespolizeirechts keiner Auflösung nach § 15 Abs. 3 VersG.
Gewonnen ist damit allerdings nichts, im Gegenteil: an die Stelle einer klaren Zäsur, die auch für Versammlungsteilnehmer*innen leicht erkennbar ist, tritt nun eine Rechtsunsicherheit über die Voraussetzungen eines polizeilichen Vorgehens. Da dies auch eine entscheidende Einschränkung des Versammlungsrechts darstellen kann, haben wir für unseren Mandanten gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes Verfassungsbeschwerde eingelegt worden. Einen Bericht über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts findet man u.a. bei LTO.
Sachbearbeiter: Rechtsanwalt Forst